Italien - Der gescheiterte Aufstieg zum Grigna Meridionale und Versuch Nummer 2

Grigna Meridionale Grignetta Lombardei Italien Lago di Lecco

Die Story - Keine Schlafplätze und falsche Wege

Nach einer knapp 12 stündigen Fahrt, auf der ich langsam aber sicher alle bequemen Sitzpositionen ausprobiert habe, erreichen wir endlich Mailand. Viel sehen wir nicht von der angeblich sehr schönen Stadt. Vom Busbahnhof geht es direkt weiter Richtung Lecco, wo wir am Abend irgendwann ankommen. Man muss ja Prioritäten setzen, deshalb kümmern wir uns nicht um den Schlafplatz, sondern essen erstmal eine leckere Pizza und zischen ein kaltes Bier mit Blick auf den Lago di Lecco.
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Der weiße Punkt in dem Berg ist die Kapelle, in der wir schlafen!

Eigentlich wollen wir schon früher Lecco erreichen und noch knapp 1000 Höhenmeter bis Piani Resinelli, ein Plateau am Fuß des Grigna Meridionale zurücklegen. Als es dann aber dunkel wurde wussten wir, dass das ziemlich unrealistisch ist. Aber trotzdem müssen wir irgendwo schlafen, aber definitiv nicht im Stadtzentrum. Also machen wir uns einfach auf den Weg nach oben. Irgendwo werden wir schon im Wald einen Schlafplatz finden. Wir sehen, dass an einem Felsen direkt über der Stadt, einige hunderte Meter Höhe eine kleine Kapelle liegt. Dort werden wir definitiv einen Schlafplatz finden. Also machen wir uns auf den Weg. Steile, betonierte Serpentinen. Die Pizza liegt schwerer im Magen, als erwartet. Es wird schon dämmerig, also sehen wir zu, dass wir langsam aber sicher auf den Berg hochkommen. Bald kommen wir an einem riesigen Grundstück vorbei, nach welchem wir endlich auf einem Wanderweg durch einen Wald landen. Mit Wegmarkierung sogar! Aber auch dauerhaft Steil. Es wird dunkel und wir müssen unsere Stirnlampen auspacken, um etwas sehen zu können. Ich bin hochmotiviert, diese Kapelle zu erreichen. Felix etwas weniger. Wir rutschen oft aus auf dem steinigen Waldweg und Felix ist so demotiviert, dass er mich zwischendrin fragt, ob ich schon einmal darüber nachgedacht habe, mein Testament zu schreiben. Schöne Gespräche am Abend. Wir folgen den 3-Punkten, die in der Dunkelheit und dem Scheinwerfer-Licht aussehen wie die Symbole einer Sekte, bis wir endlich die Kapelle erreichen und mit einem wundervollen Ausblick über den Lago di Lecco bei Nacht belohnt werden.
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Nächtlicher Ausblick über den Lago di Lecco
Die Lichter der umliegenden Städte strahlen uns entgegen und machen den Eindruck, als sähe man den Himmel im Tal. Es ist windig bei der Kapelle. Wir wollen weiter gehen, zu einem Refugium nicht weit von hier. Zum Glück begegnet uns dort oben um 23:00 ein Mann, der mit seiner Tochter und seinem Hund einen Nachtspaziergang macht - warum auch immer! - und uns mittelt, dass das Refugium geschlossen sei. Also machen wir es uns in der kleinen Beton-Kapelle "bequem".
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Capp. San Martino
Felix hat nicht mal eine Isomatte dabei und muss auf unseren Oberteilen, Shirts, Pullis schlafen. Aber immerhin sind wir hier drin halbwegs geschützt. Wir stellen uns den Wecker auf 8 Uhr und machen uns schnell wieder auf die Socken.
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Bis auf die Rückenschmerzen - Vollkommen zufrieden!
Die vorbeikommenden Wanderer scheint es nicht zu stören, dass wir in der heiligen Stätte übernachten, sie sind nur ein bisschen verwirrt als sie uns sehen. Aber Heute! Heute werden wir es auf Piani Resinelli schaffen. Zum Frühstück gibt es Clifbars, die ich extra vorher in rauen Mengen gekauft habe.
Wir erreichen schnell das Refugium, das tatsächlich geschlossen ist. Eigentlich wollen wir hier unser Wasser auffüllen, unsere letzte Gelegenheit hatten wir gestern in der Pizzeria gehabt. Aber gut, wir gehen weiter mit dem wenigen was wir haben. Unser Weg führt uns immer wieder rauf und runter, da wir an der linken Seite des Monte Colignone vorbei müssen. Durch viele kleine Täler legen wir einige Höhenmeter zurück. Kleine steinige, teilweise recht steile Wege und schöne Waldabschnitte. Nach  einer Stunde erreichen wir die ersten Klettersteig-Elemente. Ein paar Stahlketten und Metallstufen im Berg.
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Meine allerersten Klettersteig-Höhenmeter
 Bald verlaufen wir uns das Erste mal, weil wir eine Wegmarkierung übersehen: Wir wollen einen Flußlauf nach oben laufen, bei dem wir ungesichert ein bisschen klettern müssen. Aber die Stufen werden immer höher und wir merken, dass es so nicht weitergehen kann. Im Wald über uns entdecke ich wieder die Markierung und realisiere, dass wir falsch gelaufen sind.
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Back on Track auf dem richtigen Weg

Endlich haben wir den Berg umquert und erreichen das Plateau. Ab jetzt wird das Laufen entspannt! Gegen 12 erreichen wir Piani Resinelli auf etwa 1200 Höhenmetern.
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Felix kann kurz vorm Piani Resinelli auf den Gipfel zeigen!
Und wir haben Glück, denn im Gegensatz zu Rumänien gibt es hier wirklich eine kleine Stadt! In einem urigen Tante Emma Laden kaufen wir das Überlebenspaket: Wasser, Spaghetti und Pesto, genug für 2 Mahlzeiten oder mehr. Und wir gehen noch einmal essen, weil wir unser Tagesziel erreicht haben. aber beim Essen merken wir, dass wir so motiviert sind, dass wir ja noch den Gipfel machen können! Mit gebrochenem Englisch und einer Übersetzungs-App fragen wir den Kellner aus. Ist das Bivak am Gipfel geöffnet, wie lange brauchen wir dort hoch? Wir entscheiden uns also, den Gipfel noch heute richtig zu besteigen. Nochmal 1000 Höhemeter, auf gehts! Im Refugio Carla Rosa fragen wir nach dem besten Weg zum Auftsieg. Obwohl es auch einen direkten Weg gibt, entscheiden wir uns für den Klettersteig "La Direttisima".
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 Eine gute Entscheidung. Zu Beginn laufen wir ein Geröllfeld nach oben und erreichen bald den Beginn des Klettersteigs. Jetzt aber in richtiger Höhe. Ich bin ein bisschen nervös, weil das mein erster "richtiger" Klettersteig ist. Ausrüstung angelegt und los gehts! Die meisten Stellen kann man Problemlos meistern. Entweder finden wir Metallstufen vor oder die Steine sind noch breit genug um darauf zu stehen. Dann kommt die Leiter, die uns durch 2 enge Felsen und auf den Teil des Berges führt, der aussieht wie eine steinige italienische Mondlandschaft. Die Felsen sehen aus wie abstrakte Kunstwerte, gestaltet von der Natur höchstpersönlich.
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Einer der vielen Eindrucksvollen Felsen in der Grignetta
 Der Klettersteig macht Spaß und wir bezwingen ihn ohne weitere Probleme. Keiner rutscht ab, der Gürtel sorgt aber trotzdem für Sicherheit.
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 Aber dann verlaufen wir uns - mal wieder. Es geht um einen Aufstieg auf den Gipfel. Es gibt einen direkteren, etwas steileren Weg und einen, der fast zum Refugio Rosalba führt. Wir wollen den direkten Weg nehmen. Zuvor war uns ein deutscher Wanderer begegnet, der meinte, er hätte den Weg nicht gefunden. Also fragen wir 2 Italiener, die uns auf dem Weg begegnen. Sie zeigen einen ehemaligen Wasserlauf nach oben. Einen von vielen. Mal wieder übersehen wir eine Wegmarkierung. Und entscheiden uns für den falschen Weg.
Es geht steil nach oben und die geröllartigen Steine fallen weit wenn man einen von ihnen lostritt. Man hat kaum Halt auf den Steinen, aber wir machen uns trotzdem auf den weiteren Weg nach oben. Obwohl wir zum ersten mal keine Markierungen mehr sehen, gehen wir weiter, wenn auch mit etwas Panik. Ich sehe etwas weiter oben Seil und Karabiner und denke, dass dort der Klettersteig weitergeht. Fehlanzeige. Seil und Karabiner, hinterlassen von einem Bergsteiger. Ich gehe trotzdem hoch, aber anstatt dass ich einen Weg finde, der uns weiterführt, sehe ich nur eine Klippe und erst 200m weiter unten wieder Steine. So langsam bekomme ich Panik, denn der Abstieg wird schwer, das ist uns bewusst. Auch Felix hat Panik. Wir überlegen uns sogar, uns von einem Hubschrauber abholen zu lassen.
 Noch weiter nach oben kommen wir nur über einen noch steileren Weg, den wir keinesfalls gehen wollen, aber bergab wird auch schwierig, da wir schon auf dem Weg nach oben mehrere Steine losgetreten haben.Wir entscheiden uns, den Rückweg anzutreten. Den Rucksack an einen Karrabiner zu befestigen und ihn irgendwie runterzureichen funktioniert nicht, da mein Qualitäts-Aldirucksack-Griff sofort abreist und ich den Rucksack gerade noch halten kann, bevor er im Berg verschwindet. Stufe wir Stufe hebe ich jetzt den Rucksack nach unten und mache langsame Schritte in Richtung der Abzweigung. Auch wenn ich Angst habe und einige Steine lostrete, komme ich gut unten an und schaue mir solange Felix absteigt den anderen Weg an. Und finde, nur wenige Meter von der Stelle an der wir vorher abgebogen sind, die Wegmarkierung. So ein Scheiß. Nach einer kleinen Besprechung entscheiden wir uns gegen den Gipfel und für das nächste Refugium - Rosalba.

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Der Ausblick auf dem Weg zur Hütte
Wir kommen auf der 1700m hoch gelegenen Hütte an, checken bei der herzlichen Dame ein und machen uns mal wieder an unsere Nudeln mit Pesto. Dabei genießen wir einen wunderschönen Sonnenuntergang mit Blick auf den Lago di Lecco.
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Mit dem Ausblick steht man gerne morgens auf!
Wir nächtigen in dem Zimmer, das bis auf uns leer ist und mit einem sehr simplen Frühstück (Trockenes Brot mit Marmelade) steuern wir diesmal den Gipfel mit neuer Kraft an. Felix hat eigentlich gar keinen Bock, aber mein Ego braucht einfach diesen verdammten Gipfel! Zum Glück sind wir diesmal ohne Rucksäcke und dafür mit Klettersteig-Gürteln und reichlich Wasser unterwegs. Ganz gemütlich joggt der Koch, bei dem wir in Piani Resinelli gegessen haben an uns vorbei. Wir sind ein bisschen schockiert, dass die Gegend für die Locals wirklich dermaßen vertraut ist.
Etwa 2 Stunden dauert der Weg auf den Gipfel, der sowohl spannende, als auch anstrengende Wegelemente bietet. Viele Klettersteig-Stellen, kombiniert mit steilen Serpentinen nach oben. Und immer wieder hoch und anschließend wieder runter. Die Aussicht vom Gipfel ist unglaublich.
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Gipfel erfolgreich erklommen - Die Krähe ist übrigens echt
 Neben dem Kreuz, was aussieht, als wäre man auf einen Berg in Nepal gestiegen, sieht man das futuristisch aussehende Bivak, das auf den Grigna Meridionale thront.
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 Ich hätte gerne darin die Nacht verbracht, aber ab jetzt haben wir einen strikten Zeitplan! Wir genießen die Aussicht und begeben uns bald wieder auf den Abstieg, der dank der sengenden Mittagssonne um einiges anstregender ist, als der Aufstieg.
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Der steinige Abstieg vom Gipfel
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Die Sonne knallt Brutal beim Abstieg - deshalb sehe ich noch mehr wie ein Otto aus, als sonst

Vollkommen durchgeschwitzt erreichen wir wieder die Hütte, machen einen kleinen Mittagsschlaf auf dem Betonboden im Schatten und machen uns an den Abstieg an den Lago Di Lecco. 1600 Höhenmeter müssen wir noch runter. Die Gelenke freuen sich. Vor allem das erste Stück des Abstieges ist extrem nervig, da der schmale, steile Weg mit Laub bedeckt ist und sich jeder von uns mehrmals auf die Fresse legt.
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Trotz des anstrengenden Abstiegs war die Aussicht der Wahnsinn!

Die Diskussionen über Soziale Interaktion und Musik halten wach, lenken uns aber nur wenig von dem Fakt ab, dass wir noch immer keine Ahnung haben, wo wir diese Nacht schlafen werden. Gegen Abend erreichen wir endlich Mandello del Lario. Eine schöne, verspielte italienische Kleinstadt, in der ich gerne wohnen würde. Wir gehen in den See - unsere Füße haben sich die Abkühlung redlich verdient. In einem Restaurant stellen wir uns unsere eigene Pizza zusammen und genießen das Highlight: Ein Glas des Wein des Hauses für 1€. Jedoch erfahren wir auch hier nichts über eine potentielle Bleibe, also machen wir uns in der Dunkelheit auf den Weg, um die Stadt zu verlassen und irgendwo ein schönes Feld zu finden. Unterm Sternenhimmel schlafen wir einige hundert Meter von einem Bauernhof entfernt.
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Die unbequeme Nacht im Feld
Sehr, sehr unbequem, aber trotzdem irgendwie schön. Leider weckt uns morgens um 4 sehr unsanft ein Hahn, den ich am liebsten zu Schnitzel verarbeiten würde. Aber dank ihm können wir uns früh auf den Weg machen, um nach Mailand zu trampen und ein paar Stunden in Lecco zu entspannen...
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Die letzten entspannten Stunden am Lago di Lecco

Die Tour

Mit der richtigen Planung kann man die Tour problemlos in 2 Tagen schaffen. Die Route über die Kapelle war schön, da man lange Blick auf den See hatte. Man kann aber die Piani Resinelli Ebene auch erreichen, indem man über Ballabio läuft. Das ist auf jeden Fall der belaufenere Weg. In der kleinen Stadt habt ihr die letzte Möglichkeit, um euch Verpflegung zu besorgen. Auf den Grigna Meridionale selbst gibt es mehrere Routen, wer in den Genuss des Klettersteigs kommen will, sollte sich allerdings für La Diretissima (8) entscheiden. Der Beitrag bleibt ohne Outdooractive Route, da es bei der dortigen Karte KEINEN direkten Weg vom Gipfel zum Refugium Rosalba gibt. Dieser ist - aus welchem Grund auch immer - nicht eingezeichnet. Der Klettersteig ist nicht sonderlich schwer, auch für mich als Anfänger gab es nur wenige Stellen, an denen ich zögern musste. Von Rosalba aus könnt ihr in verschiedene Richtungen absteigen, aber neben dem Grigna Meridionale auch den höheren Grigna Serretionale besteigen, auf welchem ihr ein weiteres Refugium findet.

Schlafen

In den Refugien könnt ihr normalerweise sehr günstig übernachten. Im Refugium Rosalba kostet eine Nacht 20€ (10€, wenn ihr Mitglied im passenden Alpenverein seid). In dem Bivak auf dem Gipfel könnt ihr natürlich kostenlos schlafen, dort ist Platz für 3-4 Personen. Ansonsten gibt es in Lecco und Mandello Übernachtungsmöglichkeiten. Wer in Nähe des Berges schlafen will, sollte sich das Refugium Porta auf Piani Resinelli anschauen.

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Die verschiedenen Wege auf den Grigna Meridionale
Wir haben Route 8 mit der Leiter genommen. Bei dem Wechsel Auf Route 11 oder Route 8 sind wir gescheitert, weshalb wir dann auf Route 8a zum Rif. Rosalba wechselten. Von dort aus kann man auch hinten an 22 und 20 vorbei und landet dann wieder auf Weg 8 zum Gipfel.

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